Archiv der Blog-Einträge
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Gießkanne oder nicht?
Zu dem wohl bisher nicht veröffentlichten Gutachten einiger Wirtschaftsforschungsinstitute zur Förderung der Neuen Länder wurde heute morgen im Deutschlandfunk der Wirtschaftsminister von Thüringen, Matthias Machnig interviewt.
Er sagt dort zum Plädoyer eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip einzustellen:
"Alle Jahre wieder kommen solche Thesen auf, sie haben mit der Realität nichts zu tun, weil die Behauptung, man würde mit der Gießkanne Fördermittel verteilen, das ist lange vorbei."
Nun kenne ich nicht die ganzen Programme, die dort etabliert sind und ich weiß auch nicht, wie die jeweiligen Programme in Thüringen vor Ort umgesetzt werden. Ich gehe aber einmal davon aus, dass sich zwischenzeitlich eine irgendwie geartete "Priorisierung" etabliert hat.
Ich möchte jedoch auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam machen: Im Bereich der Städtebauförderung (hier ist beispielsweise über das Programm "Stadtumbau Ost" auch eine spezifische regionale Förderung durchgeführt und etabliert worden) stellt sich regelmäßig die Frage, wie die Mittel der Programme auf die Länder zu verteilen sind. So hat sich die Bauministerkonferenz in einer Arbeitsgruppe darüber Gedanken gemacht und ihre bisherige Verteilung im Sinne einer "problemorientierten" Verteilung im Jahr 2008 fortentwickelt. Hier sind 70% der Mittel nach Bevölkerung zu verteilen und die restlichen Prozente nach Bevölkerungsverlusten, Arbeitslosigkeit, Ausländeranteil, überdurchschnittlichem Bevölkerungsanteil über 65 Jahre.
So. Und nun schauen wir einmal in die Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2011 und sehen diesen oder einen sehr ähnlichen Schlüssel für alle Teilprogramme: 70% der Mittel nach Bevölkerung, der Rest nach anderen Indikatoren.
Nun frage ich mich: Was ist denn eine Verteilung nach Bevölkerung anderes als die oben beschriebene Gießkanne? Es müsste doch ein Zusammenhang zwischen Bevölkerung und dem jeweils zu behebenden Problem des Teilprogramms herzustellen sein. Der Nachweis wäre, insbesondere für den Wohnungsleerstand im Programm Stadtumbau Ost, ja erst noch zu erbringen. Bei einem Gespräch mit einem mit der Materie befassten habe ich vor Jahren einmal zu hören bekommen: Etwas anderes als nach Bevölkerung ist politisch gar nicht umsetzbar aber es ist natürlich im Grunde die Verteilung mit der Gießkanne und nicht nach dem Bedarf.
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Zu den Rating-Agenturen und ihren Ratings
Frankreich verlor die Bestnote und sofort nehmen einige erneut die Rating-Agenturen in das Blickfeld (siehe bspw. den Bericht in der Süddeutschen). Hierzu ist auch der kleine Blick von Paul Krugman auf die Begründung von Standard & Poor's sehr interessant.
Zur gleichen Zeit, in der in den Medien und auf der Straße die Schulden- und Euro-Krise diskutiert wird, nimmt ein weiterer Diskussionsstrang an Fahrt auf: Nutzen Volkswirte eigentlich die richtigen Ansätze und Modelle für ihre Theorien? So beispielsweise in den VDI-Nachrichten oder auch mit Hinblick auf die Fragen von Studierenden nach alternativen Modellen beim Spiegel.
Beide Entwicklungen hängen meines Erachtens an einer Stelle zusammen, dazu möchte ich allerdings ein wenig ausholen:
- Seit einiger Zeit (bestimmt gut 10-15 Jahre) hat sich in der Sicht auf die Unternehmensfinanzierung ein Wandel vollzogen. War gerade in Deutschland in früherer Zeit das Hausbankenprinzip vorherrschend, also Kreditbeziehungen zwischen Kreditnehmer und Bank, so hat sich dies in den letzten Jahren (auch regulatorisch erkennbar bspw. an Basel II) gewandelt zu einer stärker kapitalmarktorientierten Sicht auf die Finanzierung. In der soll gleichsam der Kapitalmarkt für die rechte Allokation des Finanzkapitals sorgen und sich die Unternehmen gemäß ihren Aussichten und Ideen um dieses Kapital bewerben. Damit verändert sich allerdings der Aufgabenbereich der Bank. War die Hausbank als Gläubiger früher selbst daran interessiert, dass sie mit Informationen über ihre Kreditnehmer versorgt wird, so schwindet dies Interesse, wenn sie lediglich für das Platzieren einer Anleihe oder den Zugang zum Kapitalmarkt benötigt wird. Eine solchermaßen tätige Bank wird ja nicht selbst zum Gläubiger, sondern verdient ihr Geld am Zusammenbringen von Investoren und kapitalsuchenden Unternehmen. Damit die Investoren jedoch eine Möglichkeit erhalten, die Unternehmen zu beurteilen, müssen sie sich, da ihnen die Einsichtsmöglichkeiten wie bei einer Hausbank früher verwehrt sind, auf den Ratschlag eines externen Dritten verlassen, dem externen Rating durch eine Rating-Agentur.1
- Wären alle Randbedingungen (wie Nachfrage, Produktionsbedingen etc.) eines Marktes oder einer Volkswirtschaft bekannt, so verbliebe im Prinzip ein reines Allokationsproblem zwischen Anbietern und Nachfragern. Dies könnte im Extremfall auch ein Computerprogramm erledigen. Nun ist es in der Realität aber so, dass viele Dinge völlig unklar und unbekannt sind und darüberhinaus auch die Zukunft für die Akteure reichlich ungewiss ist. Tätigwerden an einem Markt bedeutet dann, die eigenen Schlüsse aus dem für einen selbst verfügbaren Datenmaterial zu ziehen und etwas auszuprobieren. In der Folge lässt sich erkennen, ob diese Initiative von Erfolg gekrönt wurde oder nicht und entsprechend neue Ideen und Initiativen daraus ableiten. Zugleich lassen sich Vorstöße von Wettbewerbern beobachten und ggf. nachmachen, also imitieren. Der Wettbewerb ist also nicht statisch, sondern besteht aus einer Vielzahl von vorstoßenden und nachstoßenden Akten. Damit wird unmittelbar klar, dass der Wettbwerb in einem solchen Markt von einer gewissen Heterogenität geprägt sein wird: Es wird initiative Unternehmen geben, die mit neuen Produkten oder Produktionsverfahren experimentieren, es wird eher reagierende Unternehmer geben, die beobachten und abwarten, sich eher auf bisher Bewährtes konzentrieren und ggf. einfach etwas imitieren.
- Wendet man diese Überlegung nun auf die Finanzierung von Unternehmen an, so kann man die Frage aufwerfen, warum man in Europa die eigenen Strukturen des Hausbankenprinzips auf Kosten der Kapitalmarktorientierung zurückgedrängt hat. Wäre es nicht im Sinne der Heterogenität sinnvoll, ein alternatives Konzept am Markt zu testen? Hier deutet sich schon ein erster Zusammenhang zur Theoriebildung in der Volkswirtschaftslehre an. Im Zuge der Verhandlungen über Basel II ist es schlicht nicht gelungen, sich mit eigenen theoretischen Vorstellungen gegenüber einem stärker am Kapitalmarkt orientierten Modell durchzusetzen.2
- Wer sind nun diese Rating-Agenturen? Es fällt auf, dass es in Bezug auf die großen Schuldner nur einige wenige Agenturen gibt. In Bezug auf die Staatsschuldenkrise werden hier häufig Standard & Poor's, Fitch, Moody's genannt. Deren Ratings haben mit Sicherheit einen sehr großen Einfluss. Klar jedoch ist, dass diese Agenturen natürlich nur mit dem Blick durch ihre eigene theoretische Brille zu ihren Einschätzungen kommen können. Und diese ist wahrscheinlich (man mag mich da gerne korrigieren, ich habe es nicht geprüft) von der US-amerikanischem Mainstream-Ökonomie beeinflusst.3 Es wundert daher nicht, dass die Einschätzungen der Rating-Agenturen sich in einer gewissen Weise gleichen oder gleichen Ansätzen folgen. Auch hier die Frage: Fördert Gleichförmigkeit im Denken und in den Ansätzen den Wettbewerb? Sollten nicht alternative Rating-Konzepte am Markt getestet werden?
- Und hier schließt sich der Kreis von den Rating-Agenturen hin zur Frage, wie Volkswirtschaftslehre überhaupt gelehrt wird. Märkte, aber auch Wissenschaftssysteme, die von Gleichförmigkeit geprägt sind, können alternative und unterschiedliche Hypothesen nicht prüfen. Der Wettbewerb auf Märkten, der Wettbewerb um die besten Theorien der Wirtschaftswissenschaften, benötigt eine gewisse Heterogenität. Es wird daher spannend zu sehen sein, ob sich aus der momentanen Krise alternative Konzepte entwickeln und ob sie sich an ihren jeweiligen Märkten bewähren können.
(Dieser Artikel hat einen Blablameter-Wert von 0.22.)
Fußnoten:
1 Ich will nun hier nicht in die Diskussion einsteigen, ob das eine oder das andere System besser ist, dazu gäbe es sicherlich eine Menge zu sagen, aber das soll hier nicht der Punkt sein.
2 Dass man sich nun über die Folgen wundert, ist folglich völlig unverständlich, siehe bspw. mein Blogpost zum Vorhaben der EU, den Rating-Agenturen unter bestimmten Bedingungen die Publikation von Länderratings zu untersagen: http://www.dbrunner.de/blog/2011/10/20/eu-will-lnderrtings-verbieten.html
3 Einigen der Schimpftiraden über die deutschen Ökonomen kann ich allerdings nicht so recht folgen. So wurde den Ökonomen in Deutschland über viele Jahre vorgehalten, sie seien international wissenschaftlich nicht "anschlussfähig", publizierten zuwenig in den großen Journalen. Nun sind diese, wie man leicht prüfen kann, in der Regel US-amerikanische oder britische Zeitschriften. Will man dort landen, muss man sich ein Stück weit natürlich auf die Weltsicht des Mainstreams einstellen. Es gibt Ausnahmen, zugegeben. Aber grob skizziert lande ich mit einem Standardthema und einer Mainstream-Methodik eher im American Economic Journal als mit etwas sehr Ausgefallenem und Unüblichen.
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Zu den negativen Zinsen
Verschiedene Zeitungen berichteten, es habe nun bei einer aktuellen Refinanzierungsrunde Deutschlands negative "Zinsen" gegeben. Wie kann das passieren?
Bei der Ausgabe einer Anleihe überlegt sich der ausgebende Staat einen Nominalzins, den er für die Anleihe zahlen würde. Ein Nominalsatz von 1,00% würde bei einer Anleihe von 100 EUR dem Zeichner oder Inhaber der Anleihe eine jährliche Zinszahlung von 1,00 EUR bringen. Diesen Wert nennt man auch den Kupon einer Anleihe, da dafür früher tatsächlich Stücke eines speziellen Bogens als Kupon abgeschnitten werden mussten und gegen diesen Kupon dann die Zahlung erfolgt.
Nun geht der ausgebende Staat an den Markt und schaut für eine solche Anleihe, ob die ihm jemand abkaufen würde. Er sagt also: "Ich will 100 EUR und zahle dafür nominal 1,00% im Jahr."
Wenn er nun ein schlechter Schuldner ist, kann es sein, dass er die Anleihe dann nur für 90 los wird. Dann ist der Nominalzins immer noch 1,00%, da der Inhaber der Anleihe aber 1,00 EUR für 90 EUR bekommt, steigt die Rendite, zugleich muss die ausgebende Stelle am Ende der Laufzeit die 100 EUR zurückzahlen. Umgekehrt kann es auch sein, dass Leute 110 EUR für die Anleihe bieten, sie bekommen dann am Ende nur 100 EUR zurück und erhalten auch nur eine Zinszahlung von 1,00 EUR pro Jahr für die angelegten 110 EUR, was dann eine niedrigere Rendite als 1,00% ergibt.
Oder um es noch einfacher zu machen, nehmen wir nun noch an, dass die Anleihe bereits nach einem Jahr zurückgezahlt wird:
Wird sie zu 100 verkauft, so ist die Rendite einfach 1%, bei Kurs 101 ist die Rendite 0% (man bekommt am Ende des Jahres ja die 100 plus 1% Kupon, also 101 wieder, das ist also genau das, was man bei der Ausgabe gezahlt hat), bei Kurs 102 ist die Rendite dann -1%.
Zusammengefasst, die Rendite sinkt, wenn der Kurs ansteigt und umgekehrt. Sie kann auch in der Konstellation negativ werden, wenn beispielsweise ein kleiner Kupon mit einem hohen Kurs einhergeht.
Bei neuen Anleihen schätzt der ausgebende Staat in der Regel vorher ab, wo die Rendite wohl liegen wird und ruft ein Volumen und einen Kupon auf. Bei der Schuldenverwaltung in Deutschland liegt man mit dieser Abschätzung zumeist recht gut, so dass die Rendite oft sehr nah beim Kupon zu liegen kommt. Das ist bei anderen Ländern in jüngster Vergangenheit auch schon mal gerne schief gegangen.
Bei den in der Presse dargestellten kurzfristigen Titeln handelte es sich um sogenannte unverzinsliche Schatzanweisungen. Diese funktionieren nun anders, denn sie haben gar keinen Kupon (sog. Nullkuponanleihen oder Zerobonds). Das bedeutet, wenn der Ausgabepreis unter 100 liegt, ergibt sich eine positive Rendite (der häufigste Fall), bei der gestrigen Auktion lag der Kurs über 100, damit wurde die Rendite negativ. Genaugenommen gab es also gar keine "negative Zinsen", sondern eine "negative Rendite"
Die aktuellen Informationen zu den Auktionsergebnissen kann man hier einsehen.
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Wir testen Stress
Wie heute bekannt wurde, hat die Gesellschaft für Deutsche Sprache in diesem Jahr das Wort "Stresstest" zum Wort des Jahres gewählt. 1
Bei der Gelegenheit erinnerte ich mich an folgenden kurzen Kontakt mit der GfdS aus dem Jahr 2003:
In der Hitliste der Wörter des Jahres 2003 fand sich unter anderem der Begriff Steuerbegünstigungsabbaugesetz. Ich wies die Gesellschaft darauf hin, dass es ein solches Gesetz nicht gebe, sondern dass es sich wohl um das von der Bundesregierung eingebrachte Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG) (zugeleitet dem Deutschen Bundestag mit Bundestagsdrucksache 15/287) handeln müsse. Auf diesen Hinweis antwortete die Gesellschaft für Deutsche Sprache wie folgt:
Als Ergebnis der Belegsammlung und einiger Umfragen und Preisaufgaben lagen uns im geschilderten Fall beide Varianten vor: der Name des Gesetzes Steuervergünstigungsabbaugesetz und die - wohl eher im Alltagsdeutsch übliche Form Steuerbegünstigungsabbaugesetz. Letzteres scheint unseren Einsendern näher zu sein, was sprachliche Gründe haben kann: jmdn. begünstigen vs. etw. vergünstigen (veraltet)- (…) Aus diesem Grunde entschied sich die Kommission für diese Variante.
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Steuerliche Behandlung von Popcorn
Laut Bundesfinanzhof macht es für die Umsatzsteuer ja einen Unterschied, ob man eine Currywurst im Sitzen oder im Stehen am Kiosk einnimmt (siehe zum Beispiel Handelsblatt).
Gerade lese ich im Steuerrundbrief meines Steuerberaters zur Frage, welcher Steuersatz für Nachos und Popcorn im Kino anzusetzen ist:
"Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass es sich auch beim Verkauf von Popcorn und Nachos in einem Kino um die Abgabe von Standardspeisen handelt. Allein der Umstand, dass Tische und Stühle im Foyer auch zum Verzehr der Speisen genutzt werden können, führt nicht dazu, dass es sich insgesamt um eine Dienstleistung (Umsatzsteuersatz 19%) handelt. Dies wäre nur der Fall, wenn das Mobiliar ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr der Lebensmittel zu erleichtern."
Mal ganz knapp resümierend: Das ist doch alles völlig grotesk!
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Bilanzfehler oder nicht Bilanzfehler
Der medialen Aufmerksamkeit (zum Beispiel bei der ZEIT) um einen vermeintlichen Rechen- oder Bilanzierungsfehler bei der Bad Bank der Hypo Real Estate mit dem zauberhaften Namen "FMS Wertmanagement"1 stand ich schon immer etwas skeptisch gegenüber.
Nach einem Gespräch mit einem Bekannten mit Branchenkenntnis scheint die neuere Darstellung in der ZEIT der Wirklichkeit am nächsten zu kommen (von der dort unterstellten Absicht vielleicht einmal abgesehen).
Sehr stark vereinfacht ist wohl Folgendes passiert: Geht eine Bank Geschäfte und Gegengeschäfte mit einer anderen Bank ein, so schließen die Banken untereinander in der Regel sogenannte Netting-Vereinbarungen. Diese stellen sicher, dass im Insolvenzfall des Geschäftspartners nur der Saldo bestimmter Geschäfte wirksam wird. Im anderen Fall würden die Forderungen in die Insolvenzmasse fließen und die Verbindlichkeiten müssten weiter bedient werden. Dies würde ein sehr hohes Risiko bedeuten, und um dies zu reduzieren schließen Banken untereinander Netting-Vereinbarungen ab. Die Saldierung im Insolvenzfall ist an einen Reihe von Bedingungen geknüpft wie gleichartiges Geschäft, gleiche Währung, gleicher Geschäftspartner etc. Für die Bilanzierung dieser Geschäfte hat die Bank nach dem deutschen Bilanzierungsrecht des Handelsgesetzbuches nun zwei Möglichkeiten: (1) Grundsätzlich sind Forderungen und Verbindlichkeiten getrennt auszuweisen; (2) die Bank darf allerdings bestimmte "Pakete" saldiert ausweisen.
Folglich war die erste FMS Wertmanagement-Bilanz richtig und die zweite wohl ebenso. Denn es bestand ein Bilanzierungswahlrecht hinsichtlich der Saldierung der Positionen.2
Die ganze Aufregung ist nun eigentlich nur dem Umstand geschuldet, dass für den deutschen Schuldenstand aus der FMS Wertmanagement-Bilanz nur die Passivpositionen an die EU gemeldet werden. Dies ergibt natürlich (Netting hin oder Netting her) ein krudes Bild, da in einer Bankbilanz den Passivpositionen natürlich auch immer Aktivpositionen gegenüberstehen. Das reine Melden von Passivgeschäften wird also bei einer Bankbilanz immer ein schiefes Bild auf den Schuldenstand der Bundesrepublik Deutschland werfen. Oder anders herum: Die Integration von Bankbilanzen in das Rechnungswesen öffentlicher Haushalte ist schwierig bis unmöglich.
Fußnoten:
1 Beim Neusprech-Blog gibt es zum Namen eine schöne Analyse.
2 Auf Feinheiten wie Bilanzkontinuität und die Erläuterung der Ansätze im Anhang gehe ich hier aus Vereinfachungsgründen nicht ein.
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Schwarz-gelber Subventionsabbau
Kleine Vorbemerkung: Im vergangenen Jahr hatte ich mich mehr zufällig als absichtlich mit dem Biersteuergesetz beschäftigt. Es ging hauptsächlich um die Rechtfertigung für die Steuerbefreiung des Haustrunks im Rahmen der Subventionsberichterstattung der Bundesregierung. Diese findet sich seit 1918 in den Regelungen zur Biersteuer und da es sich um eine "Marginalie" handele, sei keine Evaluierung und auch kein Abbau vorgesehen, darüberhinaus bestehen die Gründe für die Einführung (welche waren das noch mal?) weiterhin fort.
Zum 1.7. diesen Jahres trat eine Erweiterung der Umsatzsteuerschuldnerschaft auf steuerpflichtige Lieferungen von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen ab einer Bemessungsgrundlage von 5.000 EUR in Kraft. Dies wollte ich im Original nachlesen.
Also greife ich zur Bundestagsdrucksache 17/5127, in der sich der zugehörige Gesetzentwurf befand. Dabei handelt es sich aber um einen Gesetzentwurf zur Änderung von Verbrauchssteuergesetzen. Irgendwie ging es um sprachliche und sonstige der Rechtsklarheit dienende Veränderungen (Umstellung von Steuerentlastungen auf Steuerbefreiungen und so etwas, soweit ich das verstanden habe). Also nichts, was irgendwie mit Mobilfunk oder integrierten Schaltkreisen zu tun hätte.
Die Veränderung der Umsatzsteuerschuldnerschaft wurde, warum auch immer, vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestages während der Beratungen noch in dieses Gesetz eingeschoben. Diese Huckepackgesetzgebund empfinde ich ja schon immer als etwas merkwürdig.
Aber, so denke ich, wenn ich das schon mal in der Hand habe, dann schaue ich doch einfach einmal nach, ob denn nun wenigstens ein bisschen Subventionsabbau um sich gegriffen hat. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Im § 23 des Biersteuergesetzes findet sich nach wie vor die Steuerbefreiung für den Haustrunk. Na, das war ja nach Bekunden der Bundesregierung ohnehin nur eine Marginalie, woher soll da die Kraft für eine Änderung kommen?
Kurzer Nachtrag: Der Gesetzentwurf zur Regelung der Verbrauchsteuern war wohl fraktionsübergreifend gewollt. Jedoch sehr fein folgende Anmerkung im Bericht (Bt-Dr. 17/5510, Seite 4):
"Die Fraktion der SPD hat angeregt, zu einem späteren Zeitpunkt grundsätzlich darüber zu beraten, warum Schnupftabak kein Tabakerzeugnis im Sinne des Tabaksteuergesetzes sei."
Irgendwie erinnert mich das sehr an http://www.youtube.com/watch?v=EGAEHoMMJgc.
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Referendum in Griechenland
Der griechische Ministerpräsident hat angekündigt, dass er das griechische Volk in einem Referendum über die Sparanstrengungen zur Bewältigung der griechischen Staatsschuldenkrise abstimmen lassen möchte. In der Folge gerät die europäische Politik und die Finanzmärkte in helle Aufregung und ein weiterer Krisengipfel jagt den bereits hinter uns liegenden.
Warum eigentlich diese Aufregung? Zum Ausgangspunkt der aktuellen Krise befand sich Griechenland kurz zusammengefasst in folgender Situation: Die Schulden des Landes standen in einem nicht mehr vertretbaren Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Landes, der Schuldendienst schien auf absehbare Zeit nicht mehr leistbar. Zugleich war das institutionelle Gefüge verkrustet und benötigte dringend Reformen.
Nachdem aufgrund der Mitgliedschaft im Euro-Raum eine Anpassung über den Wechselkurs nicht in Frage kam, gab es im Grunde zwei Alternativen: (1) Sofort und unmittelbar den Schuldendienst einzuschränken und sich mit den staatlichen und privaten Gläubigern zu einigen. Dabei wurde wahrscheinlich diese Alternative angesichts des Beispiels Argentinien als wenig attraktiv angesehen. (2) Gemeinsam mit den europäischen Partnern Reformen anzugehen.
Reformen bedeuten dabei, wie auch beobachtbar, einen massiven Sparkurs, der sich letztlich bei den Einkommen der Bürger niederschlägt. Dieser Kurs würde zu sozialen Spannungen bis hin zu sozialen Verwerfungen führen.
Nun mag man sich die Entscheidungssituation wie folgt vorstellen: Mit der Einbindung der europäischen Partner über das Vehikel EFSF (soweit ich das verstanden habe) kommen diese selbst in einem "Insolvenzfall" Griechenlands nicht mehr so leicht aus ihrer Hilfe heraus, mit den eingeleiteten Sparreformen können als sinnvoll erachtete Reformen angestoßen werden, für die sich in normalen Situationen ggf. gar keine Mehrheit finden ließe. Und falls sämtliche Bemühungen nicht ausreichen oder die sozialen und politischen Spannungen zu groß werden, kann man immer noch die Hände heben und sagen: "Wir haben alles versucht, wir können nicht mehr."
Die Variante (2) erscheint für mich aus Sicht der griechischen Regierung als die deutlich bessere Alternative und dann ist das Verhalten Papandreous meines Erachtens doch nur folgerichtig.
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EU will Länderrätings verbieten
Da lese ich gerade in der FTD, dass die EU überlegt, Ratingagenturen zu verbieten, Urteile über kriselnde EU-Länder zu veröffentlichen. Ist das überhaupt die richtige Fragestellung?
So richtig klar ist mir das nämlich nicht: Haben nicht die gleichen Politiker immer auf eine stärkere Kapitalmarktorientierung gedrängt? Haben wir mit Basel II und anderen Maßnahmen nicht die kapitalmarktorientierten Eigenkapitalunterlegungsvorschriften erhalten? Ausgehend vom Rating eines Schulderns sollte doch das notwendige Eigenkapital bestimmt und in der Folge der Kredit passend bepreist werden. Mit dem Effekt, dass dem kriselnden Häuslebauer die Banken mit Verstärkung von Sicherheiten um die Ecke kommen, mit dem Effekt, dass dem kriselnden Mittelständler die Banken die Zinsen nach oben anpassen und mehr Sicherheiten verlangen. Wenn nun Staaten kriseln, dann soll noch nicht mal der von der Politik vorgesehene Mittler, die Ratingagenturen, ihre Zweifel an der Rückzahlungsfähigkeit äußern dürfen?
Wie kann man die Finanzmärkte in einer bestimmten Weise regulieren und dann über das eigentlich gewollte Ergebnis erstaunt sein?
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Programm-Bibliotheken und verschiedene Versionsstände
Ich bin ein sehr intensiver Nutzer von Org-Mode, einem speziellen Modul/Modus für den Emacs-Editor (ich habe hier auf meiner Homepage auch einmal mit einer kleinen Seite dazu begonnen). Nun ja, was soll man sagen: Bei Emacs wird eine recht alte Version mitgeliefert. Ich wollte dann mal auch wegen einiger Funktionen die neueste nutzen. Also via
git
heruntergeladen und eingebunden und Peng, irgendwas funktioniert natürlich nicht mehr: Ich benötige pratisch täglich den Export von Org-Mode-Dateien nachLaTeX
, der wollte aber nicht mehr. Nun kann ich zwar Lisp, aber das Emacs Lisp ist doch etwas speziell und die Debug-Möglichkeiten sind etwas … nun ja, altbacken. Kurzum: Das macht überhaupt keinen Spaß. Im Endeffekt habe ich dann herausgefunden, dass unter bestimmten Umständen Teile des alten, bei Emacs mitgelieferten Codes nachgeladen wird anstelle der neuen Distribution. Diese bescheidene Art von Emacs mit Modulen und Paketen umzugehen ist wirklich erschreckend. Was dafür wiederum total toll war: In der von mir verwendeten Org-Mode-Version war wohl ein Fehler, das ganze Ding über die Mailingliste geschickt und innert einem halben Tag war der Fehler von anderen Nutzern und von Carsten Dominik auch gleich gefixt. Grandiose Antwortzeit! -
Umbau der Webseite und des Blogs
Manchmal muss man am blutigen Ende ein wenig leiden. Jedenfalls funktionierte mein schönes Setup mit Org-Mode und einem kleinen Werkzeug für die Blog-Einträge und den Atom-Feed nicht mehr. Ich habe versucht, mich in den zehntausenden Zeilen Emacs-Lisp-Code von Org-Mode zurecht zu finden, habe es dann aber aufgegeben. Im Nachgang hatte ich dann keine große Lust mehr auf Fehlerkorrekturen und Herumgebastel und der Blog-Teil blieb eine Weile liegen.
Insbesondere habe ich mich nicht so richtig für eine Variante auf Basis von Jekyll begeistern können: Neues Stück Software, das kaputt gehen kann und basiert dann auch noch auf einem Haufen Bibliotheken und Ruby und damit habe ich es bisher doch noch nicht so recht.
Wieder gingen Monate ins Land und dann habe ich im Sommer 2011 mal damit ein wenig herumexperimentiert und das funktioniert eigentlich ganz brauchbar. Beim Update auf die Version 7.7 von Org-Mode brach dann auch wieder einmal alles auseinander. Das Leben am blutigen Ende hat eben auch so seine Tücken.
Einzig, den Atom-Feed, den habe ich bisher noch nicht wiederbeleben können, dafür gibt es unter einen RSS-Feed.
Update: Und die Links zu den Bildern hier im Blog scheinen auch noch nicht so richtig zu tun; da muss ich auch noch einmal ran.
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Constanze Kurz/Frank Rieger, Die Datenfresser
Nun, ich habe das Buch von Constanze Kurz und Frank Rieger, Die Datenfresser, gelesen. Hier eine sehr kurze Besprechung:
Die beiden Autoren wollen erklären, "wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverbleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen." Thematisch werden automatisierte Datenanalysen, der Wert der Nutzerdaten, die ökonomischen Mechanismen hinter sozialen Netzwerken und den Daten der Nutzer und einige Aspekte des staatlichen Einsatzes zur Datenanalyse vorgestellt und diskutiert.
Als wichtige Botschaft wird dem Leser mitgegeben, dass seine Daten für Unternehmen einen Wert darstellen und dass Angebote im Netz dazu dienen, diese Daten zu erlangen und zu monetarisieren; also Vorsicht vor Kostenlos-Angeboten, denn im Kern zahlt man auch für ein kostenloses Angebot, im Zweifel mit seinen Daten. Eine andere Kernbotschaft läuft darauf hinaus, dass Daten auch missbraucht werden können, sei es von staatlicher Stelle oder von zwielichtigen Zeitgenossen.
Das Bändchen mit 272 Seiten ist kurzweilig geschrieben, wechselt zwischen tatsächlichen Begebenheiten, Sachbuchdarstellung, fiktiven Geschichten und netzpolitischen und gesellschaftspolitischen Erwägungen geschickt hin und her. Der leichte und nicht in technische Details verliebte Sprachstil sowie die Art, wie technische Probleme dargestellt werden, macht es sicherlich auch einem Laien einfach, den Themen zu folgen und etwas hinter die Geschäftspraktiken und die Techniken zu sehen.
Das Buch leidet an mancher Stelle etwas, da die Kraft des Arguments nicht so richtig einschlagen mag. Beispiele sind insbesondere die Frage, wie man sich denn nun gegen die Datenfresser wehrt oder die Argumentation gegen die "Wer nichts zu verbergen hat…"-Ideologie. Das wirkt an der einen oder anderen Stelle zwar bemüht, aber nicht so kraftvoll, wie man sich das erhofft hat. Insbesondere ein schlüssiges Gegenkonzept hätte noch etwas breiter und prominenter ausgearbeitet werden können.
Auch werden zum Teil Gefahren und Befürchtungen recht abstrakt beschrieben, manchmal auch mit Hinweis, so etwas sei schon vorgekommen, aber man hätte es dann an der einen oder anderen Stelle doch gerne genauer gewusst.
Eher ein Buch zum Verschenken an Leute, die noch nicht so firm im Netz sind.
Constanze Kurz/Frank Rieger, Die Datenfresser, 272 Seiten, S. Fischer Verlag, 16,95 EUR.
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Selbstauskünfte bei Unternehmen
Nach dem geltenden Paragraphen 34 des Bundesdatenschutzgesetztes steht einem als "Betroffener" einmal jährlich eine Auskunft über die bei "verarbeitenden Stellen" gespeicherten Daten und Übermittlungen zu. Ebenso muss der Score-Wert für irgendwelche Bonitätseinstufungen mitgeteilt werden. So aus dem Kopf fielen mir einige Unternehmen ein und ich hatte mir vorgenommen, dort einmal vorstellig zu werden. Jedoch gibt es unter http://www.selbstauskunft.net einen kostenlosen Internetdienst, der diese Anfragen per Telefax an bekannte Unternehmen sendet. Also flugs die Daten eingetragen, einen geschwärzten Scan meines Personalausweises hinzugefügt und die Fax-Maschine von www.selbstauskunft.net angeworfen. Und siehe da, schon ab dem zweiten Tag kommen die ersten Rückmeldungen mit Auskünften. Sehr erhellend, was man dort weiß bzw. was man alles nicht weiß. Man kann dort auch die Antwortzeit hinterlegen, so dass die Statistiken zum Antwortverhalten der Unternehmen befüttert werden. Und man kann abschließend, so die Homepage, auch alle Daten wieder löschen.
Wer also einmal diese Selbstauskünfte bei Schufa und anderen einholen möchte, der sollte auf die Homepage von http://www.selbstauskunft.net einmal einen Blick werden; denn so ist das Stellen der Anfrage sehr komfortabel.
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Zur Loveparade-Berichterstattung
Ich habe im Online-Angebot der FAZ einen interessanten Artikel von Stefan Niggemeier zum Umgang der Medien mit dem Unglück während der Loveparade in Duisburg gefunden: "Ein einziger Blick in die Zukunft hätte doch gezeigt…" Er kritisiert darin, dass viele Medien hinterher mit einer Selbstgefälligkeit schrieben, dass es ja für jeden Laien erkennbar zur Katastrophe kommen musste, im Vorhinein dieselben Medien diese aber nicht erkennen konnten.
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Missbrauchsgebühr beim Bundesverfassungsgericht
Will man eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen, so sollte diese schon einigermaßen Gehalt haben. Ansonsten verdonnert einen das Gericht zu einer Missbrauchsgebühr von bis zu 2600 Euro (siehe § 34 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes). Beim Durchblättern der aktuellen Entscheidungen bin ich auf folgende Begründung einer Missbrauchsgebühr gestoßen (Aktenzeichen 1 BvR 2358/08):
"Den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 € auferlegt, weil die Erhebung der Verfassungsbeschwerde missbräuchlich im Sinne von § 34 Abs. 2 BVerfGG war und dieser Missbrauch den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin zuzurechnen ist. Die völlig ausufernde Verfassungsbeschwerde genügt in weiten Teilen offensichtlich nicht den Anforderungen an eine substantiierte Begründung. Den enormen Umfang der Beschwerdeschrift - einschließlich ergänzender Schriftsätze von mehr als 330 Seiten - haben die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin unter anderem durch umfangreiche, sachlich durch nichts gerechtfertigte Wiederholungen mutwillig herbeigeführt. Das Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen, dass es durch eine derart sinnentleerte Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazität bei der Erfüllung seiner Aufgaben behindert wird und dadurch anderen Rechtsuchenden den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Oktober 2001 - 2 BvR 1004/01 -, juris <Rn. 7>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. November 2009 - 1 BvR 3324/08 -, juris <Rn. 3>)." (Hervorhebung von mir, D.B.)
Ich finde, da spricht das Gericht eine deutliche Sprache. Mich würde ja die Beschwerdeschrift spaßeshalber interessieren. Vielleicht waren es ja - wie ein Bekannter mutmaßte - ohnehin nur 300 Seiten Marmeladerezepte.
Andererseits wies Tobias Westphal darauf hin, dass pro Seite eine Gebühr von knapp 1,50 Euro anfiel. Ging also doch noch.
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Nachtrag I zum E-Postbrief
Ein Nachtrag zu meinem Eintrag über den E-Postbrief. Da überall von "qualifizierter elektronischer Signatur" die Rede ist, möchte ich gern auf Folgendes hinweisen: Lässt sich der Benutzer ein Zertifikat zum zusätzlichen Verschlüsseln und Signieren erzeugen, so darf man sich ob der Güte dieses Schlüssels nicht täuschen. Es handelt sich dann nämlich nicht um eine qualifizierte elektronische Signatur nach Signaturgesetz. So leicht erlesbar aus der Leistungsbeschreibung E-Postbrief; dort heißt es unter den "Zusatzleistungen":
"Persönlich signiert: Der Absender signiert die Nachricht zusätzlich mit seinem privaten Schlüssel. Da der private Schlüssel eine eindeutige Zuordnung zu einem Nutzer ermöglicht, erhöht dies den Grad der Authentifizierung.
Die eingesetzten Verschlüsselungsverfahren erfüllen allerdings nicht die Voraussetzungen einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz (SigG), so dass gesetzlich vorgesehene Schriftformerfordernisse nicht erfüllt werden."
Schade, so hat die Post noch eine Möglichkeit mit ihrem Produkt zu punkten verpasst und lässt den Ball ins Seitenaus rollen.
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Der E-Postbrief, ein Selbstversuch
So, da kam er also mit viel Marketingaufwand: Der E-Postbrief der Deutschen Post. Wohl mit Absicht etwas vor der Einführung der DE-Mail, einer Initiative der Bundesregierung. Nachdem dann auch ein Werbeflatterer in meinem (normalen) Briefkasten gelandet ist, habe ich mir einen Selbstversuch gegönnt und die neue Plattform testen wollen. (Erinnern Sie sich übrigens daran, dass die Post, ich glaube sogar auch unter der URL
epost.de
schon vor Jahren jedem Bundesbürger eine lebenslang gültige E-Mail-Adresse versprochen hat? Nach einigen Jahren starb dieses E-Mail-Portal-Projekt. Werden schon Wetten auf das Ende des E-Postbriefs angenommen?)Die Behauptung der Post, mit der E-Mail käme nun eine besondere Form von Rechtssicherheit in das Internet, mag man dem Werbe-Tamtam anlasten. Mir wäre nämlich nicht bekannt, dass E-Mails, in denen man etwas bestellt oder mit denen man Verträge gestaltet, nicht rechtsicher wären. Okay, zugegeben, das Protokoll zum Transport von E-Mails hat Probleme (insb. hinsichtlich der Identifizierung des Absenders). Aber grundsätzlich werden ständig und in großer Zahl Verträge per E-Mail geschlossen, verändert und auch E-Mails als Beweisstücke vor Gericht vorgelegt und anerkannt.
Was mir auch nicht so ganz klar ist: Wenn E-Mail-Adressen der Art
Hans.Mustermann1.23
undHans.Mustermann.4
vergeben werden, dann weiß ich zwar beim E-Postbrief, dass sich hinter jeder Adresse sicher ein Hans Mustermann verbirgt. Aber ob es derjenige Hans Mustermann ist, mit dem ich einen Vertrag abschließen will, ist mir aus der Adresse nicht erkennbar. Schlicht, solange ich nur die E-Mail-Adresse habe, sind Verwechslungen nicht ausgeschlossen. Das Durchnummerieren ist nur bedingt schön für den Anwender.In der Folge nun einige Erlebnisse. Auf die weiteren konzeptionellen Probleme (siehe den Eintrag bei Heise.DE bzw. den Telepolis-Artikel) will ich gar nicht eingehen, sondern erst einmal das Gefühl des Benutzers in den Vordergrund stellen:
Nach dem Anmelde-Vorgang, den ich nicht sonderlich komplex fand, erhielt ich irgendwann eine SMS, dass mein Postfach freigeschaltet sei. Also gleich einmal angemeldet und alle möglich Funktionen ausprobiert.
Trotz der Kritik am vielgescholtene Adressverzeichnis (da nimmt sich wohl die Post den Adressverkauf heraus) wollte ich dies testen und melde mich mit ein paar Zusatzinformationen an. Anschließend wollte ich prüfen, wie denn der Eintrag so aussieht, wenn man sich selbst aufruft. Aber, ich finde mich gar nicht im Verzeichnis. Also habe ich diese Einstellung wieder deaktiviert.
Völlig kryptisch ist das Verfahren, "normale" E-Mails zu senden. Man muss dazu nämlich ein normales E-Mail-Konto bei einem anderen Provider "einbinden". Kein Problem, denke ich mir, lege eines bei meinem Provider an, binde es ein und alles scheint zu funktionieren. Allein, die E-Post-Adresse taugt gar nicht zum E-Mail-Empfang. Man erhält nur Fehlermeldung erfolgloser Zustellungen. Und wenn man umgekehrt eine E-Mail aus dem E-Postbrief-Portal senden will, wird die Domain
dp-mail.de
als Absende-Domain angehängt. Eine solche E-Mail wird auch zugestellt (wobei nicht immer, auf die Zustellung einer E-Mail warte ich nocht), jedoch kann man darauf als Empfänger nicht mehr antworten, da auch die Antwort-E-Mail wieder wegen erfolgloser Zustellung irgendwo im gelben Konzern ihre Runden dreht. Dieses E-Mail-Einbinden funktioniert meines Erachtens gar nicht.Freudig habe ich zur Kenntnis genommen, dass man auch Faxe empfangen und senden kann. Nach einem Klick wurde mir eine Fax-Nummer zugeteilt. Also schnell ein Testfax handschriftlich gekritzelt, zum Papierfax gerannt und losgefaxt. Ich habe ein Übertragungsprotokoll mit der Aufrschrift "Übertragung Ok", aber selbst nach nun drei Tagen ist im E-Postbrief-Eingang kein Telefax eingegangen. Auch diese Funktion scheint kaputt zu sein. Den Versand aus dem E-Postbrief-Portal habe ich mir dann geschenkt.
Da ich noch niemanden kenne, der auch ein solches E-Postbrief-Konto hat, habe ich den Versuch gemacht und an meine Postanschrift einen E-Postbrief mit normaler Zustellung schreiben wollen. Beim ersten Versuch wollte das Anhängen eines Anhangs (siehe dazu auch noch unten eine generelle Anmerkung zu Fehlern) nicht klappen und eine Fehlerseite erschien. Erfreulicherweise wurde der bisher getippte Text als "Entwurf" gespeichert. Jedoch war es mir nicht möglich, diesen Entwurf weiter zu bearbeiten, ich konnte ihn mir nur anzeigen lassen, eine "Entwurf weiter bearbeiten"-Funktion war nicht auszumachen. Was also diese Entwürfe sollen, bleibt das Geheimnis des gelben Riesen. Nachdem ich nun einen neuen Brief erstellt und losgeschicken wollte, das nächste Ärgernis: Das Guthabenkonto für das Porto kann man nur in ganzen Euro-Beträgen aufladen. Das erscheint technisch völlig anachronistisch. Von der Kundenfreundlichkeit her ist das schlicht unverschämt. Aber um des Fortschritts willen investiere ich einen Euro und kann anschließend meinen ersten E-Postbrief (Anschreiben plus ein PDF mit zwei Seiten als Anhang) versenden. In der Tat, am kommenden Tag lag ein fein kuvertierter Brief in meinem Briefkasten. Einzig das PDF war etwas grieselig, aber da wird man mit Standardschriften und ähnlichem sicherlich optimieren können. Diese Funktion ist wirklich praktisch, da man sich das ausdrucken, kuvertieren und frankieren sparen und alles bequem via Web-Portal erledigen kann.
Empfangen habe ich noch nichts: E-Mails wollte das Portal nicht empfangen und Telefaxe auch nicht. Nun ja, vielleicht sendet mir ja irgendwann mal jemand einen E-Postbrief. Ich habe mir auch eine SMS-Benachrichtigung eingerichtet, befürchte aber, dass diese wie so vieles anderes auch nicht funktioniern wird.
Abschließend noch ein riesiges Ärgernis: Ständig erscheinen völlig unvermittelt (bspw. beim Absenden von E-Mails, beim Anhängen von PDS an einen E-Postbrief) Fehlerseiten der Art "Bitte entschuldigen Sie". Angegeben jeweils völlig kryptische Fehlercodes. Da fragt man sich nach wenigen Minuten, ob dies Produkt wirklich so sicher und so toll ist, wie der Anbieter werbewirksam behauptet.
Einschränkend will ich sagen, dass ich vielleicht die Bedienung nicht ganz verstanden habe; aber Hilfe-Seiten oder passende Dokumentation habe ich nicht finden können, die mir aus den oben beschriebenen Fallstricken geholfen hätte.
Zusammenfassend: Man wird wohl einfach einmal abwarten können, ob sich der E-Postbrief oder DE-Mail durchsetzt; auch die Preise werden sicherlich noch ein wenig Bewegung erfahren. Ob die Regelungen aus den AGBen so Bestand haben werden, ist auch fraglich. Was jedoch klar ist: So wie derzeit ausgeliefert, macht das E-Postbrief-System den Eindruck als sei es ein halbes Jahr zu früh in Echtbetrieb gegangen und als habe man die Testphase gleich an die Benutzer delegiert. Ich kann von der Benutzung derzeit nur abraten. Folglich werde ich auch nicht verraten, unter welcher Name- und Nummernkombination ich
@epost.de
zu erreichen bin.Nachtrag: Nun ist doch endlich eine E-Mail an die
@dp-mail.de
-Adresse angekommen.online verfügbar.
Nachtrag 2: Zufällig entdeckte ich in der aktuellen Ausgabe der Wirtschaftswoche eine ähnliche Schilderung von Pannen, der Artikel ist auch -
Zur Diskussion um ständige und nicht ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat
Vorbemerkung: Ich hatte noch aus dem März diesen Jahres einen Blog-Eintrag vorbereitet, aber irgendwie nicht die Muße empfunden, ihn endgültig einzustellen. Nachdem nun der deutsche Außenminister Westerwelle bei seinem Besuch in Uganda einen ständigen Sitz für Afrika im UN-Sicherheitsrat forderte, habe ich mich doch entschlossen, ihn hier einzustellen:
Beim Besuch des deutschen Außenministers Westerwelle in Braslien im März 2010 hat der brasilianische Präsident Lula da Silva dem deutschen Gast ein vergiftetes Kompliment gemacht: Der Sicherheitsrat müsse refomiert werden und Deutschland solle in einem solch umstrukturierten Gremien einen ständigen Sitz erhalten. Man darf getrost davon ausgehen, dass das Gift dieses verpackten Komplimentes darin besteht, dass bei einer Reform des Sicherheitsrates kein Weg an Brasilien vorbei geht, besonders dann nicht, wenn wohl schon Deutschland in die Riege der ständigen Mitglieder aufgenommen werden soll.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Artikel aus FAZ vor einigen Jahren; leider ist mir das genaue Datum und der Autor entfallen. Jedenfalls meine ich mich an das Kernargument wie folgt zu erinnern: Wenn mit dem ständigen Sitz insbesondere die Möglichkeit gemeint ist, Beschlüsse des Sicherheitsrates mit einem Veto zu blockieren, so kann diese Recht eigentlich nur denjenigen eingeräumt werden, die im Zweifelsfall auch in der Lage sind, Beschlüsse gegenüber anderen Ländern auch gegen deren Willen durchzusetzen. Und dies betrifft zustimmende Beschlüsse (was nutzt ein Embargo oder ähnliches, wenn man es nicht durchsetzen kann?) aber auch ein Veto, denn auch in diesem Fall muss man beispielsweise notfalls in der Lage sein, ein betroffenes Land, dem man mit einem Veto Unterstützung zukommen ließ, gegen andere Länder militärisch zu verteidigen. Der FAZ-Autor kam seinerzeit zu dem Entschluss, dies könnten nur noch die USA leisten und daher seien sie die einzige legitime Veto-Macht der Vereinten Nationen.
Ein irgendwie gearteter reformierter Sicherheitsrat darf folglich nur solche Länder als Veto-Mächte zulassen, die die Beschlüsse des Gremiums umsetzen können und wollen - und dies in einem globalen und nicht nur regionalen Kontext. Natürlich unter Wahrung ihrer Interessen, das wird man auch einer Veto-Macht immer als legitimen Antrieb einräumen müssen.
Folgt man dieser Logik, dann ist damit auch klar, wer keine Veto-Macht werden sollte, nämlich Deutschland.1
Fußnoten:
1 In diesem Zusammenhang fand ich eine zusammenrecherchierte Zahl der ZEIT instruktiv (vgl. ZEIT Nr. 10/2010 vom 4. März 2010): Die größte Zahl an Soldaten, die man nach derzeitigen Vorgaben gleichzeitig zum Einsatz bringen könnte, betrage 14.000. Dazu bemerkt die Autorin Susanne Gaschke: "Damit kann man Russland nicht erobern, klar." Dies bei einer Stärke von 253.000 Männern und Frauen (Stand vom 27. Januar 2010, Quelle: http://www.bundeswehr.de)
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Kurze Anmerkung zum "Mehr Brutto vom Netto"
Zur "Reform" (Erhöhung des Krankenkassenbeitrages und Umgestaltung und damit sicherlich Erhöhung des Zusatzbeitrages) des Gesundheitswesens mag ich gar nicht viel schreiben; allerdings habe ich mit großem Interesse das Interview mit Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) im Deutschlandfunk gehört. Es entwickelte sich folgender Dialog:
Gerwald Härter: Was bleibt denn vom hehren liberalen Grundsatz "mehr Netto vom Brutto"?
Philipp Rösler: Mehr Netto vom Brutto bezieht sich zunächst einmal auf das Steuersystem, bedeutet aber, dass wir die Mitte in unserer Gesellschaft entlasten müssen, und dazu gehört auch, dass wir stabile Sicherungssysteme auf den Weg bringen, denn ohne stabile soziale Sicherungssysteme kann eine Gesellschaft nicht funktionieren, und wer die Mitte stärken will, der muss den Menschen genau solch ein stabiles System bieten, und das haben wir gestern noch stabiler gemacht und auf den Weg gebracht.
Nach einem Blick in das Wahlprogramm der FDP scheint das sogar zu stimmen; auf Seite 4 heisst es:
Die FDP will den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr ihres hart erarbeiteten Geldes belassen. Wir wollen einfache, niedrige und gerechte Steuern für mehr Netto vom Brutto.
Andererseits ist es schon hinterfragenswert, ob man eine steigende Abgabenlast noch mit dem "mehr Netto vom Brutto" vereinbaren kann. Für den Bürger ist es letztlich am Ende des Monates auch egal, ob das Geld beim Finanzamt oder bei der Krankenversicherung landet: Er schaut als Arbeitnehmer auf seine Gehaltsabrechnung, vergleicht die Werte bei "Brutto" und "Netto" und stellt fest, dass er schlicht weniger Netto vom Brutto hat.
Darüberhinaus habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass man "mehr Netto vom Brutto" auch so deuten kann, dass zur Erreichung irgend gearteter Stabilität "weniger Netto vom Brutto" auch zugleich "mehr Netto vom Brutto" bedeutet. Alles klar soweit?
Nachtrag: Zwischenzeitlich ist zum gleichen Thema, etwas breiter angelegt, ein Kommentar von Thorsten Denkler in der Süddeutschen Zeitung erschienen.
2. Nachtrag, vom Merkels Mehr-Netto-Märchen nimmt sich Sven Böll in SPIEGEL Online des Themas "Mehr Netto vom Brutto" an und präsentiert einige Berechnungen.
: Unter dem Titel -
Vorsicht vor den Marginalien bei Steuervereinfachung und Subventionsabbau!
Eine These vorab:
Unser deutsches Steuersystem ist komplex, es gibt eine Vielzahl von Ausnahme- und Sondertatbeständen. Subventionen und Steuervergünstigungen haben um sich gegriffen. Insgesamt würde dem Steuersystem eine Vereinfachung und ein Kürzen von Subventionen und Steuererleichterungen helfen.
Der These können sicherlich viele Bürger zustimmen. Zugegeben, bei der Ausgestaltung und dem Abbau von Subventionen und Steuererleichterungen würde es Diskussionen und Aufschreien der Betroffenen geben. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich einmal, einen Blick in die regelmäßig erscheinenden Subventionsberichte der Bundesregierung zu werfen; allein schon deshalb, um herauszufinden, was aus Sicht der Regierung hier alles als Subvention und Steuererleichterung gilt und welchen Umfang dies ausmacht. Zu beachten ist, dass sich bereits schon an der Frage, was als Steuererleichterung und was als Subvention gilt, Diskussion entzündet. Aber bleiben wir einmal beim Selbstbild der Bundesregierung. Als Bundestagsdrucksache 17/465 hat die Bundesregierung am 15. Januar 2010 dem Bundestag ihren 22. Subventionsbericht für die Jahre 2007 bis 2010 vorgelegt, immerhin ein Konvolut aus 296 Seiten. Ich möchte im folgenden einmal eine besonders kautzige Steuervergünstigung herausgreifen: Nach § 2 Abs. 2 des Biersteuergesetzes ist der Haustrunk bei Bier, den der Hersteller an seine Arbeitnehmer als Deputat ohne Entgelt abgibt, von der Biersteuer befreit. Soweit, so sonderbar. Auf Seite 230 findet sich hierzu ein "Datenblatt" (bis zum 20. Subventionsbericht hieß das noch Stellungnahme):
Lfd.-Nr. 51 Bezeichnung der Befreiung für Haustrunk bei Bier, den der Hersteller an seine Arbeitnehmer als Deputat ohne Entgelt abgibt. Steuervergünstigung Ziel Vergünstigung für Arbeitnehmer Rechtsgrundlage § 3 Abs. 2 BierStG 1993 Status / Befristung unbefristet Finanzielles Volumen (Schätzung, Mio €) 2007: 1, 2008: 1, 2009: 1, 2010: 1 Finanzierungsschlüssel: Land: 100% Art der Subvention Sonstige Hilfen für private Haushalte, die mittelbar Betriebe und Wirtschaftszweige begünstigen Maßnahme vgl. Bezeichnung der Steuervergünstigung Degression Eine Degression ist nicht vorgesehen, da das Ziel der Maßnahme fortbstehen soll. Evaluierung Die Vorschläge der MP Koch und Steinbrück von 2003 bewerten die mit dieser Subvention verbundenenen Steuermindereinnahmen als "Marginalie" und sehen deshalb keinen Abbau vor. Auf eine Evaluierung kann daher verzichtet werden. Ausblick Die Steuervergünstigung beruht seit 1993 auf EU-Recht (Verbrauchsteuerharmonisierung) und kann deshalb nicht in eine Finanzhilfe umgewandelt werden. Zugegeben, das Volumen ist nicht sonderlich groß im Vergleich zu den Gesamteinnahmen. Es scheint mir doch aber im Hinblick auf eine Systemvereinfachung symptomatisch zu sein, dass die vielen kleinen Einzelmaßnahmen und Aspekte ständig nicht angefasst werden. Und abgesehen vom Volumen lässt sich natürlich schon die Frage stellen, ob die Brauereimitarbeiter in dieser Hinsicht gefördert werden sollten, also ob das überhaupt ein legitimes Ziel ist. Und wenn, warum beispielsweise Arbeitnehmer anderer Branchen, in denen es bspw. auch Verbrauchsteuern gibt, nicht in gleicher weise gefördert werden sollten. Nach kurzem Innehalten hört man schon das Rauschen, das sich bei jeder Subventionsdiskussion in den Zeitungen niederschlägt, warum nun genau der Haustrunk als Steuervergünstigung auf gar keinen Fall angefasst werden darf. Wie gesagt, es geht nicht um die Einzelmaßnahme, sondern um das willkürliche Herausgreifen einer Vergünstigung und des Umgangs der Bundesregierung hiermit.
Vielleicht ist das aber auch eine ganz neue Erkenntnis, also blättere ich einmal in den 21. Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestag-Drucksache 16/6275). Auf Seite 242 findet sich dann ein vollkommen identischer Eintrag. Abschließend ist hierzu bemerkenswert, dass die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück mit ihrer Entscheidung, es handele sich um eine Marginalie, eine Evaluierung unnötig machen.
Bis zum 20. Subventionsbericht hat die Bundesrgierung anstelle der heute üblichen Evaluierungsergebnisse noch einzelne Stellungnahmen zu Subventionen und Steuervergünstigungen abgegeben. Diese lautet zum Haustrunk auf Seite 230 des 20. Subventionsberichts (Bundestag-Drucksache 16/1020):
"Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung
1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
Befristung
unbefristet
Stellungnahme
Gründe bestehen vorerst fort."Man kann sich ja nun einmal den Spaß machen und nachsehen, ob irgendwann eine andere Stellungnahme vorlag oder ob die bestehende nur via Copy&Paste vorgetragen wurde. Man ahnt das Ergebnis:
- 19. Subventionsbericht der Bundesregierung
- (Bundestags-Drucksache
15/1635), Seite 243
"Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung
1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
Befristung
unbefristet
Stellungnahme
Gründe bestehen vorerst fort." - 18. Subventionsbericht der Bundesregierung
- (Bundestags-Drucksache
14/6748), Seite 241:
14/1500), Seite 164:
"Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung
1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
Befristung
unbefristet
Stellungnahme
Gründe bestehen vorerst fort." - 17. Subventionsbericht der Bundesregierung
- (Bundestags-Drucksache
14/1500), Seite 164:
"Zeitpunkt der Einführung und Zielsetzung
1918: Vergünstigung für Arbeitnehmer
Befristung
unbefristet
Stellungnahme
Gründe bestehen vorerst fort."
An dieser Stelle brach ich meine Recherche ab und warte nun umgekehrt, wieviele Jahre die "Marginalie" via Copy&Paste in die folgenden Berichte übertragen wird.
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Code snippets not working at the moment
Two of my code snippets for org-mode are not working with the actual
master
of the git repository. I have to check this and I am going to fix them when I find enough time for that. -
Die vatikanischen Museen und eine kleine Überraschung
Hier noch ein kleiner Nachtrag zu meinem Besuch in Rom:
Die vatikanischen Museen
Nachdem sich auf dem Petersplatz eine gehörige Schlange am Eingang zum Petersdom gebildet hatte, stand der Entschluss schnell fest, doch lieber einen kleinen Spaziergang um den Vatikan herum zu machen. Am Eingang der vatikanischen Museen dann umgekehrte Welt: Keine Warteschlange. Also hinein und für 15 Euro Eintritt einen Blick in die Gebäude und auf die ausgestellten Kunstwerke nehmen. Als besonders herausragend empfand ich die antiken Skulpturen, die in einer überwältigenden Menge präsentiert wurden. So beispielsweise die berühmte Laokoon-Gruppe. Manchmal jedoch wirkten die Präsentationsflächen ob der schieren Menge vielleicht auch ein bisschen zugestellt.
Ein Museum mit einer beeindruckenden Sammlung und einer langen Geschichte. Jedoch, was negativ auffiel, ist die scheinbar völlige Abwesenheit eines museumdsdidaktischen Konzeptes. Die Exponate standen zum Teil sehr dicht beeinander, selten durch Tafeln inhaltlich miteinander verbunden oder überhaupt mit Tafeln erläutert. Einzig an vereinzelten Exponaten fanden sich kurze Tafeln. Warum nun welche Skulpturen gezeigt wurden und wie diese im Zusammenhang miteinander stehen, erschloss sich nicht. Manchmal wirkte die Ausstellung sogar lieblos: In einem der Gänge standen vor den schön bemalten Wänden Geschenke, die der Papst wohl von Diözesen sowie während seiner Auslandsaufenthalte erhalten hatte. Welchen Wert dieser Teil der Ausstellung hat ist mir schleierhaft. Vor allem da einige der Geschenke Ausdruck schaurigen Kitsches sind. Herausragend schaurig darunter eine Vitrine mit Porzellanschwänen, die eine amerikanische Diozöse geschenkt hatte. Kurzum, das Museum würde ausgesprochen gewinnen, wenn zu den Exponaten ein passendes museumsdidaktisches Konzept erarbeitet würde.
Eine kleine Überraschung: Der Tempietto di Bramante
Im Stadtteil Trastevere findet sich auf einer kleinen Anhöhe in der unmittelbaren Nähe zur spanischen Botschaft im Hof zur Kirche San Pietro in Monotorio der Tempietto di Bramante. Bramante war seinerzeit mit dem Bau des Petersdoms beauftragt und angeblich stellte der Tempietto die Vorlage für Bramantes Planungen dar, so sah sein Erstentwurf für den Petersdom einen dreischiffigen Zentralbau vor. Der Tempietto selbst ist ein kleiner, übersichtlicher Rundbau mit wohltuender Proportionen und wohltuender Symmetrie.
Allein, der hübsche Tempietto steht doch ein bisschen arg eingestellt in einem Hof.
Man beachte allerdings, dass die Besichtigung über die Mittagszeit nicht möglich ist, erst nach der Siesta wird das Portal zum Hof wieder geöffnet.
Eine Anektdote als Postscriptum
Einen Abend befand ich mich in einer Trattoria im abends und nachts lebendigen Stadtviertel San Lorenzo nahe der Universität. Zum Essen bestellte ich eine Karaffe offenen Rotweins. Der kam auch sofort. Jedoch: Er war eisgekühlt! Nach einer kurzen Nachfrage beim Kellner kümmerte sich die Chefin des Services gleich umgehend selbst um uns und bedauerte, dass man uns diesen eiskalten Rotwein serviert habe. Es kam nach wenigen Augenblicken eine neue Karaffe, diesmal wohl temperiert. Und der Wein war gut; es gab also gar keinen Grund, ihn auf Eiseskälte herunterzukühlen.
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Einmaligkeit und Alternativlosigkeit als politische Kategorien
In die aktuellen politischen Debatten schleichen sich zwei offenkundig neue Lieblingsvokabeln der politischen Akteure: Die "Einmaligkeit" von Ereignissen und die "Alternativlosigkeit" ihrer Entscheidungen. Beide sollen dem Gegenüber den Wind aus den Segeln nehmen und eine gute Begründung für das eigene Handeln darstellen. Seien es Bankenrettungsschirme, Euro-Länder-Rettungsschirme oder Sparpakete. Immer ist von einmaligen Ereignissen und fehlenden Alternativen die Rede.
So sprach der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktionen im Bundestag, Peter Altmeier, am 16. Juni 2010 im Deutschlandfunk:
"Wir haben mit die größte Sparanstrengung seit über 40 Jahren zu bewältigen. Es gab seit der deutschen Einheit keine derartige Problemfülle, die von der Politik bewältigt werden musste."
Ähnlich äußerte sich einen Tag früher der Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, im Deutschlandfunk:
"Wir müssen uns Fragen in der Sache stellen, die nicht gekannte Dimensionen haben."
Mit der oben skizzierten Einmaligkeit und den vermeintlich außerordentlich großen Problemen soll dem Höhrer klar gemacht werden, dass Lösungen unglaublich schwer zu finden seien und man doch für den Umgang der Koalitionäre ("Gurkentruppe", "Wildsau", "Rumpelstilzchen", um die Vokabeln des Vorsommer-Sommerlochs zu wiederholen) und den Ergebnissen Verständnis haben müsse.
Wenn dann eine Entscheidung gefunden wurde, dann ist es doch wiederum eine Nicht-Entscheidung; denn es gab ja angeblich keine Alternativen. Es war "alternativlos", das Rettungspaket für Euro und Griechenland zu schnüren. TINA (there is no alternative) greift um sich; ein Umstand auf den Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung pointiert aufmerksam gemacht hat.
Kurzum, die Herausforderungen sind einmalig, nie gekannt, von nie erlebter Komplexität und Schwierigkeit und die Lösungen dann schlussendlich auch noch ohne Alternativen. Politik ist doch eigentlich die Diskussion und das Ringen um die Wahl aus verschiedenen Alternativen. Werden solche Alternativen negiert, wird Politik ihres Kerns beraubt. Dies ist um so kritischer, als die alternativlosen Lösungen in der Regel nicht aus der Mitte des Parlaments aufs Tapet kommen, sondern es ist häufig die Exekutive in Gestalt der EU-Regierungen, in Gestalt der Bundesregierung, in Gestalt von Ministerkonferenzen der Bundesländer, die es den jeweiligen Parlamenten schwer und einfach zugleich macht: Schwer, weil das Parlament nicht mehr um die beste Lösung ringen darf und einfach, weil man die Verantwortung bei der Regierung belassen kann und Rettungspakete eben wie gewünscht durchwinkt. Es gab ja auch keine Alternative.
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Verrechnen leicht gemacht
Folgende Ereignisse finde ich ja sehr erhellend: Telepolis berichtete von einer Studie (Pollet und Nettle, 2009), in der anhand von Daten aus dem "Chinese Health and Family Life Survey" der Schluss gezogen wurde, dass die Zahl der Orgasmen einer Frau mit dem Einkommen des Partners ansteige:
"In a large representative sample of the Chinese population, we found evidence that women's self-reported orgasm frequency increases with the income of their partner." (Pollet und Nettle, 2009, S. 149)
Etwas später berichtete Telepolis, dass dem wohl doch nicht so sei. Was war passiert? Die Forscher Esther Herberich und Torsten Hothorn haben die Analysen mit den frei verfügbaren Daten nachgerechnet und erhielten andere Ergebnisse (Herberich et al., 2010). Ursache war, dass der in der von Pollet und Nettle (2009) verwendeten Software (SPSS 15.0) der Algorithmus zur Auswahl des besten Modells (verwendet wurde ein ordinal regression model) einen Fehler aufwies: Die Kriterien zur Modellauswahl (Akaike Information Criteion (AIC) und Bayesian Information Criterion (BIC)) wurden in der Standardeinstellung der Modellauswahl falsch berechnet, so dass die Kriterien eigentlich nicht verglichen werden konnten. In der Folge kam es zu einer verkehrten Modellauswahl für das beste Modell. Herberich et al. berechneten die Analysen mit R neu und kamen zu anderen Ergebnissen: So konnte das Modell durch die Aufnahme weiterer Variablen verbessert werden; und zwar derart, dass der Einfluss des Einkommens letztendlich nicht mehr signifikant war. In der Korrektur ihres Beitrages fassen Pollet und Nettle (2010) dies wie folgt zusammen:
The association in the CHFLS (Chinese Health and Family Life Survey, D.B.) data between partner wealth and self-reported orgasm frequency ist best explained by the fact that women with higher-income partners are healthier, happier, younger, and more educated than women with lower-income partners. The data do not support a direct effect of partner income on self-reported orgasm frequency, once other variables have been controlled for." (Pollet und Nettle, 2010, S. 149)
Zusammengefasst: (1) Erst durch das Bereitstellen der Daten konnte ein anderes Forscherteam die Anwendung der Methode prüfen und stieß auf die oben skizzierten Merkwürdigkeiten. Somit war es möglich, nach den Ursachen für die falsche Modellauswahl zu suchen. (2) Es zeigt sich, dass eine geschlossene, proprietäre Implementierung so ihre Tücken hat; wenn eine Gemeinschaft gegenseitig Kontrolle über Implementierungen von Modellen übt und sie verbessert, kann auch hier wieder ein System der gegenseitige Kontrolle wirksam werden, was zu einer höheren Qualität führen kann.
Literatur:
Pollet, T. und Nettle, D. (2009), Partner Wealth predicts self-reported orgasm frequency in a sample of Chinese women, Evolution and Human Behavior, Volume 30, S. 146-151.
Herberich, E., Hothorn, T., Nettle, D. und Pollet, T. (2010), A re-evalutation of the statistical model in Pollet and Nettle 2009, Evolution and Human Behavior, Volume 31, S. 150-151 (sowie der Online Appendix).
Pollet, T. und Nettle, D. (2010), Correction to Pollet and Nettle (2009): "Partner wealth predicts self-reported orgasm frequency in a sample of Chinese women", Evolution and Human Behavior, Volume 31, S. 149. -
Ein Blick auf das neue Mueseum MAXXI in Rom
In Rom eröffnete Ende Mai das MAXXI (Museo Nazionale delle Arti del XXI Scolo) mit seinen ersten Ausstellungen. Der Neubau wurde von Zaha Hadid entworfen. Grund genug, einmal einen Blick auf die Architektur von außen zu werfen und einen kleinen Rundgang durch das Foyer zu unternehmen. Leider fehlte mir die Zeit, die Ausstellung selbst anzusehen und damit auch einen Blick in die Ausstellungsräume zu werfen.
Wenn man von der Bushaltestelle der Linie 2 in die Straße des Museums einbiegt, voller Erwartung auf das neue Bauwerk, so steht man erst einmal inmitten normaler Bauwerke vor einem breiten, mannshohen Tor, halb geöffnet mit dem Schriftzug "MAXXI" darauf. Nachdem man hier durchgeschluüpft ist, zeigt sich das von Zaha Hadid elegant geschwungene Gebäude mit seiner glatten Fassade.
Die Wirkung wird noch unterstrichen durch eine relativ große freie Fläche, gegliedert mit Fahrweg, Bodenplatten und weißen Kieselsteinen. Hier lässt sich bequem auf einem der Stühle das Gebäude betrachten und auf sich wirken lassen.
Im Innern findet sich ein ebenfalls sehr elegant gestaltetes Foyer, von dem aus die Treppengänge zu den einzelnen Ausstellungsräumen abzweigen. Von oben fällt Tageslicht durch die Deckenlamellen und mischen sich - geschickt gemacht - mit dem künstlichen Licht, das von der Unterseite der Treppengänge ausstrahlt.
Der Innenraum wirkt trotz seiner futuristischen Gestaltung ausgesprochen angenehm. Die Treppen, die hohen Räume und die Flächen wirken von den Proportionen sehr gut auf einander abgestimmt. Insgesamt ein schönes Gebäude und ein gutes Beispiel dafür, dass moderne Architektur für das Auge und Erleben sehr gefällig gestaltet sein kann. Ob man auf dem Platz vor dem Museum nun wirklich weiße Kiesel auslegen musste, nun denn, das ist wohl Geschmacksfrage. Dennoch, beim nächsten Rom-Besuch werde ich auch einer der Ausstellungen einen Besuch abstatten.
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Änderungen beim Datenschutzhinweis
Bisher hatte ich folgenden Hinweis zum Datenschutz in meinem Impressum hinterlegt:
Ich speichere und verarbeite keine Daten zu Ihrem Besuch auf dieser Seite.
Durch ein Update meines Webseiten-Paketes erhalte ich nun Zugang zu den anonymisierten Daten der Webserver-Logfiles. Aus diesem Grund ändert sich der Text wie folgt:
Mein Hoster Strato protokolliert jeden einzelnen Zugriff auf eine Element dieser Homepage. Diese sogenannten Logfiles werden von mir von Zeit zu Zeit ausgewertet, um einen Überblick über die Besuche zu erhalten und Ansatzpunkte für Verbesserungen zu finden. Die Einträge in den Logfiles werden von Strato zur Sicherung des Datenschutzes anonymisiert. Ich erhalte den Host-Anteil der Adresse, oder wenn dieser nicht ermittelbar ist, eine komplett anonymisierte Adresse. Ein Rückverfolgen zu Ihrer IP-Adresse ist mir nicht möglich. Weitere Informationen hierzu hält Strato auf seiner FAQ-Seite bereit. Wenn Sie hierzu weitere Fragen haben, senden Sie mir einfach eine E-Mail. Darüberhinaus speichere und verarbeite ich keine Daten zu Ihrem Besuch auf dieser Seite.
Ich denke, das ist ein guter Kompromiss zwischen statistischen Auswertungen zur Webseite und dem Datenschutz des Betrachters. Ich werde Sie auch weiterhin nicht mit Verfolgetechniken (Cookies und ähnliches) belästigen, um etwas über Sie oder Ihre Art, meine Homepage zu betrachten, herauszufinden.
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Ein Beispiel für verschwurbelte Texte aus dem Koalitionsvertrag
Ich hatte ihn mir schon recht früher heruntergeladen, den Koalitionsvertrag von CDU/CSU/FDP zur 17. Legislaturperiode1, aber erst nach der Sendung "Querköpfe" im DLF (gesendet am 27. Januar 2010) mit und über Henning Venske, habe ich mir dann doch einmal die Mühe gemacht, das PDF-File zu öffnen. Unsere gewählten Vertreter schmettern uns als erste Sätze folgende Ouvertüre entgegen:
"Wir stellen den Mut zur Zukunft der Verzagtheit entgegen. Wir wollen unserem Land eine neue Richtung geben. Freiheit zur Verantwortung ist der Kompass dieser Koalition der Mitte. Wir führen Deutschland in Bildung, Wissenschaft und Forschung an die Weltspitze, um kommenden Generationen ein Leben in Wohlstand, Gerechtigkeit und Sicherheit zu ermöglichen. So wollen wir mit neuem Denken die Zukunft gestalten."
Lebendiges Deutsch schaut anders aus, aber gut. Ich identifiziere in den ersten drei Sätzen folgende Verben: "stellen … entgegen", "wollen … Richtung geben" und "…ist…"; soweit so umständlich. Aber ist den Autoren aufgefallen, wie hohl und hölzern ihre Begriffe sind? Wie kann "Freiheit zur Verantwortung" ein "Kompass" darstellen? Wie muss man sich dies vorstellen? Vor allem, wie soll denn aus dieser angeblichen Orientierung das Land eine neue Richtung erhalten?
Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, als hätten die Autoren doch noch ein bisschen viel Opel-Krise im Hinterkopf gehabt: Lautete nicht deren Werbespruch über Jahre "Frisches Denken für bessere Autos"? Da klingt doch "mit neuem Denken die Zukunft gestalten" ähnlich werbephrasenhaft.
Jedenfalls, wir sollten uns bei jeder Zeitungsnachricht über die Koalition (und oft berichtete Dissonanzen) daran erinnern: "Freiheit zur Verantwortung ist der Kompass dieser Koalition der Mitte." Wenn das mal nicht in Orientierungslosigkeit endet…
Fußnoten:
1 Hier eine Quelle von der Homepage der CDU: http://www.cdu.de/portal2009/29145.htm
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Das Restaurant Si An in Berlin
Nun schon zum wiederholten mal hat es mich in Berlin im Stadtteil Prenzlauer Berg in das Si An in Berlin verschlagen. In einem kleinen, liebevoll (man beachte auch die Dekoration vor dem Lokal am Bürgersteig) eingerichteten Lokal erwartet den Gast feine vietnamesische Küche. Es gibt zwar eine Karte, aber es empfiehlt sich, eine der Tagesempfehlungen auszuwählen. Die Speisen zeichnen sich durch sehr feinsinnig abgestimmte Geschmack und Gewürzauswahl aus. Ein Platz zum Wohlfühlen und Weiterempfehlen.
Si An
Rykestraße 36, 10405 Berlin
http://www.sian-berlin.de -
Eine verschwurbelte Stellenausschreibung
Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) schreibt auf ihrer Stellenmarkt-Homepage Stellen für Professoren derzeit mit folgendem Textblock aus (hier am Beispiel der Ausschreibung für die W2-Professur für Soziologie mit dem Schwerpunkt Methoden der international vergleichenden Sozialforschung im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, Einsendeschluss am 20. April 2010):
"Die Justus-Liebig-Universität Gießen strebt einen höheren Anteil von Frauen im Wissen- schaftsbereich an; deshalb bitten wir qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich, sich zu bewerben. Aufgrund des Frauenförderplanes besteht eine Verpflichtung zur Erhöhung des Frauenanteils. Die Justus-Liebig-Universität verfolgt auch das Ziel einer verstärkten Gewinnung von Führungskräften mit Gender- und Familienkompetenz. Die Justus-Liebig-Universität versteht sich als familiengerechte Hochschule. Bewerberinnen und Bewerber mit Kindern sind willkommen."
Was genau versteht die JLU unter "Gewinnung von Führungskräften mit Gender- und Familienkompetenz?" Über das Suchformular der JLU zur "Genderkompetenz" (Stand
) findet man Hinweise auf Forschungsprojekte des FB03, zur "Familienkompetenz" keinen Treffer.Möglicherweise wünscht sich die JLU etwas sehr Sinnvolles, allein es ist als nicht so recht möglich über ihre Homepage herauszufinden, worum es genau geht.
Eine Suche über as Portal http://www.hessen.de brachte auch keine Erhellung; also suchte ich über die Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren,Frauen und Jugend. Dieses ist laut seiner Homepage http://www.gender-mainstreaming.net das federführende Ressort für die "Anwendung des Leitprinzips Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Bundesregierung". Mit dem vom Ministerium geförderten GenderKompetenzZentrum, einem Forschungsinstitut an der Humboldt-Universität Berlin, wird diese Arbeit begleitet und unterstützt. Dort lese ich folgende Definition:
"Gender-Kompetenz ist die Fähigkeit von Personen, bei ihren Aufgaben Gender-Aspekte zu erkennen und gleichstellungsorientiert zu bearbeiten. Gender-Kompetenz ist eine Voraussetzung für erfolgreiches Gender Mainstreaming. Gleichzeitig wird durch die Umsetzung von Gender Mainstreaming neue Gender-Kompetenz erzeugt. Gender-Kompetenz setzt sich aus den Elementen Wollen, Wissen und Können zusammen: (…)"
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Kuler, eine Web-Anwendung zum Farben abmischen von Adobe
Im Blog von Garr Reynolds fand ich vor kurzem einen netten Hinweis auf eine Web-Anwendung: Für mich als im Bereich Grafik, Farben etc. wenig Beschlagenen ist es immer schwierig, passende Farbzusammenstellungen zu finden. Mit Kuler von Adobe kann man Farbschemata nach bestimmten Mustern erstellen, verändern und diese auch abspeichern. Man kann für die Farben auch auf eine Bild-Datei zurückgreifen und daraus eine Farbe herauswählen. Dabei werden diese dann in verschiedenen Formaten ausgegeben und man kann sie beispielsweise für eine Webseite weiterverwenden. Das Ganze lässt sich (Achtung, Flash-Anwendung), leicht und bequem bedienen. Eine wirkliche feine und nette Anwendung.
Links:
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CeBIT 2010
Trotz erneut markigem Auftritt (mit Begriffen wie Webciety oder dem Beschwören von "Lösungen" als Konzept im Gegensatz zu früheren Hardware-Schauen) geriet mein diesjähriger CeBIT-Besuch zur Enttäuschung. Ich stellte fest, dass einige der Unternehmen, die ich besuchen wollte, entweder den Stand massiv reduziert hatten oder schlicht zu Hause geblieben sind. Somit sank die Zahl der "guten Gespräche" auf ein historisches Tief. Darüberhinaus schien es zum Teil so zu sein, als würde die CeBIT auch nur noch als medialer Punkt in der Dramaturgie von Marketing-Spezialisten. Kleine Geschichte am Rande hierzu: Microsoft stellte eine Demo-Version des neuen Mobiltelefonbetriebsystems Microsoft Windows Phone 7 vor; auf die Rückfrage, ob denn die Applikationen auch nur über ein Shop-Konzept wie bei Apple auf das Gerät kommen, wich der Präsentator aus: Man müsse mit der Antwort auf diese Frage doch noch zwei Wochen warten, bis zur nächsten Mix (der Entwickler-Hausmesse von Microsoft).
Nachtrag vom Forum von Edward Tufte.
: Eine interessante Diskussion zum Design von Windows Phone 7 findet sich imNachtrag vom Mix das Geheimnis um die ersten Windows-Phone-Anwendungen. Der Heise-Verlag hat hierzu eine Mitteilung verfasst, in der es unter anderem über die neuen Anwendungen für das Windows Phone Betriebsystem heisst:
: Nun haben wir also fast zwei Wochen gewartet und mit Spannung lüftet Microsoft auf seiner Entwicklerkonferenz"Bekommen wird man diese Anwendungen ausschließlich über einen runderneuerten Windows Phone Marketplace, der diverse Vertriebsmodelle unterstützen wird (kostenlos, Freemium, Trial, Bezahlung über Kreditkarte oder Mobilfunkanbieter)."
Damit schwenkt Microsoft für seine mobilen Anwendungen auf Basis von Microsoft Phone auf das Geschäftsmodell von Apple ein.
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Beschleunigung als soziales Phänomen
Wozu späte Autofahrten gut sein können: Im September 2009 habe ich in den Funkhausgesprächen bei WDR5 eine interessante Gesprächsrunde zum Thema "Beschleunigung" gehört.
Die Thesen eines der Diskutanten, des Soziologen Hartmut Rosa von der Universität Jena, haben mich recht lange noch beschäftigt (so habe ich unter anderem auch einmal Einblick in seine Habilitationsschrift "Beschleunigung - Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne" genommen); ein Punkt daraus, soweit ich das richtig verstanden habe:
Wir nehmen den Fortschritt in der Moderne als sich ständig höhere drehende Anforderungen an unsere geistige Verarbeitungskapazität wahr. Wenn wir nicht innert Stunden auf eine E-Mail reagieren, werden Absender nervös. Ständig kommen von überall Nachrichten und Mitteilungen auf uns zu. Wir leben in einem ständigen Gefühl des Überfordertseins aufgrund einer wahrgenommenen Beschleunigung in unserer Welt. Dabei ist jedoch zu sehen, dass es zwar technologischer Fortschritt sein kann, der bestimmte Handlungsweisen erst möglich macht: So erreiche ich viele Orte erst mit dem Flugzeug in akzeptabler Zeit. E-Mails sind schneller zugestellt als die Schneckenpost. Aber, so eine wichtige These, das Gefühl der Beschleunigung ist zu einem großen Teil ein soziales Phänomen. Mit der schnellen E-Mail, um bei diesem Beispiel zu bleiben, verändert sich das Kommunikationsverhalten und die -konventionen: Dass man eben schnell auf eine E-Mail antwortet und sich nicht wie früher bei einem Brief mehr Zeit lässt. Oder anders gewendet: Die Technik erlaubt uns, heute mehr E-Mails zu schreiben als früher Briefe und schneller zu kommunizieren. Statt nun diesen Produktivitätsfortschritt zu nutzen und die gewonnene Zeit mit Müßiggang zu verbringen, schreiben wir deutlich mehr E-Mails, müssen mehr Nachrichten verarbeiten, werden ggf. sogar wie Push-Diensten auf dem Mobiltelefon mit der elektronischen Post versorgt und fühlen uns zunehmen gehetzt und überfordert. Und Ausbrechen wird nicht so einfach, da uns irgendwann sonst die sozialen Brücken zu unserem Umfeld verloren gehen.
Insgesamt ein spannendes Thema und ich habe aus den von mir gelesenen Arbeiten von Hartmut Rosa sehr viel gelernt, insbesondere öfter nach den sozialen Ursachen bestimmte Entwicklungen zu fragen und diese zu analysieren. Eine reine Technikzentriertheit führt hier (wie auch an anderen Stellen bspw. des Internets) nicht zum Ziel.
Weitere Links zu einem Interview mit der Zeit (sowie einem Schwerpunktthema zur Wiederentdeckung des Nichtstuns) und zu Harmuts Rosas Homepage bei der Universität Jena: